Vaginismus – wenn der Körper «Nein» sagt

Eine junge Frau lehnt sich mit verschränkten Armen an die Wand und schaut nachdenklich aus dem Fenster.

Der Körper verkrampft sich jedes Mal schmerzhaft, wenn etwas in die Nähe der Vagina kommt – sei es ein Tampon, beim Versuch von Geschlechts­verkehr oder sogar bei einem gynäkologischen Untersuch. Das ist Vaginismus. Für rund 12-15% der Personen mit Vagina Realität.

Wichtige Fragen helfen

«Können Sie einen Tampon einführen oder Geschlechtsverkehr haben?» Diese Frage sollte gemäss Physiotherapeutin und Beckenbodenexpertin Petra Spalding Standard sein beim gynäkologischen Untersuch. So würden nämlich viele Betroffene viel früher einen Namen dafür haben, was ihnen das Leben so schwer macht: Beim Vaginismus, auch Scheidenkrampf genannt, sagt der Körper nämlich einfach «Nein». Eine Krankheit, die Betroffene oft aus Scham oder Unwissenheit verschweigen. Leider. Denn viele wissen nicht: Es gibt Hilfe.

Was ist Vaginismus?

Doch was passiert beim Vaginismus im Körper überhaupt? «Die Beckenboden- und die Vaginalmuskulatur verkrampfen sich unwillkürlich. Das macht es unmöglich, etwas in die Vagina einzuführen – sei es ein Tampon, ein medizinisches Instrument oder den Penis beim Geschlechtsverkehr.» Der Schmerz kann sich dabei anfühlen, als würde etwas in der Vagina «reissen» oder «durchschnitten». Oder: «Als würde jemand ein Messer in meine Vagina rammen», beschreibt die Betroffene Nora.

Primärer und sekundärer Vaginismus

Man unterscheidet zwischen primärem und sekundärem Vaginismus:

  • Beim primären Vaginismus leiden Betroffene schon immer unter Schmerzen bei einer Penetration. Bemerkt wird diese Form oft bereits in der Jugend, beim Versuch, einen Tampon einzuführen.
  • Der sekundäre Vaginismus tritt nach bestimmten Ereignissen oder Veränderungen auf.

Ursachen: Körper & Psy­che oft im Zusammenspiel

Die Ursachen von Vaginismus sind vielschichtig und nicht immer klar zuzuordnen. Einerseits können körperliche Faktoren wie Infektionen oder Verletzungen die Muskulatur der Vagina so stark belasten, dass sich die Beckenboden-Muskulatur als Schutzreflex dauerhaft anspannt. Andererseits spielen psychische Ursachen eine grosse Rolle: Traumatische Erlebnisse wie ein Geburtstrauma, sexuelle Gewalt oder auch Unsicher­heiten oder negative Erfahrungen rund um die Sexualität sind mögliche Auslöser für den Scheidenkrampf.

Lebensphasen beeinflussen

Lebensphasen sind generell ein gutes Stichwort rund um Vaginismus – frühe und spätere: Neben möglichen Unsicherheiten in der Pubertät können auch die Wechseljahre den Scheiden­krampf zum Thema machen. So verändert sich das Gewebe der Vagina durch den abnehmenden Östrogen­spiegel. Es wird empfindlicher und weniger elastisch, was zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen kann. Diese Schmerzen können wiederum eine Verkrampfung der Beckenboden­muskulatur auslösen.

«Das Gefühl, minderwertig zu sein»

Vaginismus ist von aussen nicht sichtbar – die Betroffene wirkt gesund, doch der Schmerz des Scheidenkrampfs ist real und oft schwer zu erklären. Zum physischen Schmerz kommt aber noch viel mehr hinzu: Viele Frauen fühlen sich minderwertig oder denken, mit ihnen stimme etwas nicht. Der Druck, «normal» zu funktionieren, lässt das Selbstwertgefühl sinken.

Tiefgreifende Auswirkungen

Für Nora waren zum Beispiel Urlaube am Meer immer eine grosse Belastung: «Da war dieses wunderschöne Meer, und ich konnte einfach nicht ins Wasser, weil ich meine Tage hatte und keinen Tampon einführen konnte. Ich sass am Strand mit langen Hosen und fühlte mich minderwertig. Ich erzählte dann einfach etwas von starken Regelschmerzen und nicht, was wirklich los war.» Und das Sexualleben? «Ich vergraulte damals die Männer immer, bevor es zum Sex kam.»

Auch die Physiotherapeutin Petra Spalding betont, dass Vaginismus nicht nur körperlich, sondern auch emotional tiefgreifende Auswirkungen hat.

Behandlung von Vaginis­mus mit Vertrauen und Geduld

Eine gute Nachricht: Vaginismus ist behandelbar. Meist macht eine Kombi­nation aus physischer und psychischer Therapie Sinn.

Beckenboden-Physiotherapie

In der spezialisierten Beckenboden­physiotherapie lernen die Betroffenen, ihre Beckenbodenmuskulatur zu entspannen. Dabei helfen Atem- und spezielle Dehnübungen. Ein wichtiger Schritt ist auch das vorsichtige Einführen eines Fingers in die Vagina durch die Therapeutin, um die Spannung der Muskulatur zu überprüfen, aber auch damit die Betroffene erfährt, dass dies überhaupt möglich ist. Expertin Petra Spalding beschreibt es so: «Ich beginne oft mit meinem kleinen Finger, weil er sehr schmal ist. Für viele Frauen ist das anfangs sehr erschreckend, dass eine Fremde so was macht, aber wir arbeiten behutsam und nur so weit, wie es die Patientin zulässt.» Es wird nichts erzwungen: «Wenn die Patientin nicht bereit ist oder Schmerzen hat, dann machen wir an diesem Tag keine weiteren Schritte. Es geht um Vertrauen und Geduld.»

Wir arbeiten behutsam und nur so weit, wie es die Patientin zulässt.
Petra Spalding, Beckenbodenphysiotherapeutin

Hilfsmittel

Zusätzlich kommen in der Therapie häufig Dilatatoren zum Einsatz. Dies sind Dildo-ähnliche medizinische Hilfsmittel, die in verschiedenen Grössen schrittweise in die Vagina eingeführt werden – von der Patientin selbst oder der Therapeutin. Diese gewöhnen die Muskulatur langsam an das Einführen und helfen, das Vertrauen in den eigenen Körper zurückzugewinnen. Das Ziel ist, dass die Patientin lernt, sowohl ihre Muskeln zu entspannen als auch die Angst vor dem Eindringen schrittweise zu überwinden – immer in ihrem eigenen Tempo.

Die Psyche nicht vergessen

Wichtig ist auch, die psychische Komponente zu behandeln. Ob in Form einer Sexualtherapie, Traumatherapie oder Gesprächs­therapie, je nachdem, was die Betroffene braucht – das Ziel ist, das eigene Körperbild und die Einstellung zur Sexualität zu verbessern. Und je nach Schmerzproblematik sind auch weitere Ursachen abzuklären. Manchmal macht es Sinn, dass eine Gynäkologin oder eine Vulvaspezialistin sich das Gewebe noch einmal genau anschaut. So arbeitet auch die Beckenbodenphysiotherapeutin Petra Spalding in einem Netzwerk aus Expertinnen und Experten.

Darüber sprechen ist befreiend

Vaginismus ist eine Erkrankung, über die oft aus Scham nicht gesprochen wird. Doch das Schweigen ist unnötig: Auch Nora berichtet, wie befreiend es für sie war, als sie das Problem endlich ansprach und offen darüber redete. «Es war unglaublich erleichternd, als ich es endlich meiner Freundin erzählte. Danach weihte ich mein ganzes Umfeld ein und plötzlich fühlte ich mich nicht mehr allein. Alle haben mit Verständnis reagiert, niemand hat mich komisch angesehen.» Heute hat sie den Vaginismus hinter sich gelassen – nach einer intensiven Therapie. Es ist wichtig zu wissen: Vaginismus ist heilbar.

«Es war unglaublich erleichternd, als ich es endlich meiner Freundin erzählte.»

Hilfe finden

Wenn Sie ähnliche Symptome bei sich erkennen, zögern Sie nicht, Hilfe zu suchen. Der erste Schritt ist das Gespräch mit einer Gynäkologin oder einem Gynäkologen, die bzw. der Ihnen den Weg zu einer spezialisierten Physiotherapie oder weiteren Therapien ebnet. Oder Sie melden sich bei unseren Gesundheitscoaches.

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