Frühzeitige Menopause – wenn die Zeit plötzlich vorspult

Eine Frau mit Rucksack wandert draussen in der Natur einen Weg entlang.

Mitten im Leben – und plötzlich bleibt die Menstruation aus. Die Diagnose «frühzeitige Menopause» trifft Frauen meist unvorbereitet. Karin war 36, als ihr Körper umschaltete. Was steckt hinter vorzeitigen Wechseljahren und wie lässt sich damit leben? Eine Betroffene und eine Expertin berichten.

Wenn der Zyklus zu früh verstummt

Karin erinnert sich noch gut an den Moment, als ihre Gynäkologin ihr sagte, dass sie bereits in der Menopause sei. Sie war 36 Jahre alt – ein Schock. «Ich wusste damals nicht einmal, dass es so etwas überhaupt gibt», sagt sie.

Was bedeutet «frühzeitige Menopause»?

Die Begriffe «frühzeitige Menopause» oder «vorzeitige Menopause» sind medizinisch gesehen eigentlich gar nicht korrekt. In der Fachsprache spricht man von einer «frühen Menopause» zwischen 40 und 44 Jahren oder von einer «prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI)» vor dem 40. Lebensjahr, wenn die Eierstöcke ihre Aufgaben nicht mehr genügend erfüllen, sprich: kaum mehr Eizellen und Hormone produzieren. Der Begriff «frühzeitige Menopause» ist aber vielen im Alltag geläufiger und daher gebräuchlicher.

Mögliche Ursachen der POI

Die Ursachen für POI sind oft genetisch bedingt. Weiter können eine Chemotherapie, Operationen am Eierstock oder Autoimmunerkrankungen die Eizellenproduktion schädigen. Ebenso beobachtet man, dass Raucherinnen meist früher in die Menopause kommen als Nichtraucherinnen.

Völlig unerwartet in die Wechseljahre – Karin erzählt

Karin erzählt, welchen Weg sie nach der Diagnose «frühzeitige Menopause» gegangen ist.

Wie merkt man, dass man frühzeitig in den Wechseljahren ist?

Viele Frauen vermuten hinter Zyklusunregelmässigkeiten oder Hitzewallungen zunächst Stress und nehmen die Symptome nicht ernst. So auch Karin: Sie nahm bis zum Alter von 35 Jahren die Pille und hatte danach unregelmässig ihre Tage, einmal sogar drei Monate lang gar nicht. Leider habe ihre damalige Frauenärztin das Ganze etwas heruntergespielt: Der Menstrutations-Zyklus brauche Zeit, um sich wieder regelmässig einzuspielen. Auch bei den Hitzewallungen dachte Karin zunächst eher an das scharfe Essen und Temperaturunterschiede auf ihrer Sri-Lanka-Reise als an hormonelle Ursachen. Wer denkt schon mit 36 Jahren an frühzeitige Wechseljahre?

Erste Anzeichen von POI werden oft übersehen.

Hormonstatus gibt Klarheit

Erst bei der nächsten gynäkologischen Jahreskontrolle zeigte eine Blutuntersuchung: Karins Eierstöcke waren ihrer Zeit schon weit voraus, praktisch schon jenseits der Menopause. «Im Blut messen wir den Status verschiedener Hormone über mehrere Messzeitpunkte hinweg», erklärt Dr. med. Susanna Weidlinger, Gynäkologin am Inselspital. «So können wir die Diagnose POI stellen, selbst wenn die Menstruation noch nicht ganz ausgeblieben ist.» Und diese Diagnose ist wichtig, denn ein vorzeitiger Östrogenmangel ist nicht harmlos, sondern medizinisch relevant und muss behandelt werden.

Die frühe Menopause ist eine Krankheit

Aus medizinischer Sicht handelt es sich bei der prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI) nicht um eine vorgezogene Lebensphase, sondern um eine hormonelle Erkrankung. Eine, die unbehandelt schwerwiegende Folgen haben kann.

Frühzeitiger Hormonmangel hat Folgen

Die vorzeitigen Wechseljahr-Beschwerden an sich sind das eine, die damit einhergehenden Risiken das andere: Ein früher Hormonmangel erhöht diverse Risiken für andere Krankheiten wie Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Demenz.

Mit einer individuell abgestimmten Hormontherapie lassen sich diese Risiken senken. «Der Körper braucht diese Hormone – ob sie nun aus den Eierstöcken kommen oder von aussen zugeführt werden», erklärt Susanna Weidlinger. «In diesem Fall spricht man im wahrsten Sinne des Wortes von einer Hormonersatztherapie, die dem Körper das gibt, was er selbst zu früh nicht mehr herstellen kann. Bei ‹normalen› Wechseljahren hingegen ist es eher eine Hormonverlängerungstherapie, um Beschwerden zu mildern.»

Mit frühzeitiger Menopause leben – Expertin erzählt

Dr. med. Susanna Weidlinger erklärt im Podcast, welche Therapiemöglichkeiten bei frühen Wechseljahren infrage kommen.

Zwischen Kinderwunsch und Kontrollverlust

Keine Eizellen mehr bedeutet auch keine Kinder mehr. Karin beschreibt diese Diagnose als doppelten Schock: keine Kinder mehr – und plötzlich mitten in den Wechseljahren. «Ich musste das verarbeiten wie einen Trauerfall», sagt sie offen. Der unerfüllte Kinderwunsch traf sie tiefer, als sie selbst erwartet hatte. «Ich dachte immer, ich könne mit beiden Wegen leben, mit oder ohne Kinder. Aber als der Entscheid plötzlich definitiv war, war das sehr hart.»

Beratung und Begleitung

Susanna Weidlinger kennt solche Reaktionen gut. Sie empfiehlt in solchen Fällen auch eine psychologische Begleitung: «Manche Frauen brauchen das nicht, aber jede sollte die Möglichkeit haben, darüber zu sprechen. Die Diagnose kann eine Identitätskrise auslösen.»

Je nach Zeitpunkt der Diagnose und weiteren Voraussetzungen muss der Kinderwunsch nicht unbedingt gleich komplett vom Tisch sein: «Die wenigen Eizellen, die dann noch da sind, sind ja noch jung und in guter Qualität», erklärt die Gynäkologin. Zudem bietet die Fortpflanzungsmedizin heute verschiedene Möglichkeiten, die derzeit in der Schweiz auch politisch neu diskutiert werden. So oder so: Beratung und Begleitung soll und darf jede Frau in Anspruch nehmen, die durch vorzeitige Wechseljahre aus der Bahn geworfen wird.

Plötzlich «alt»? Die Angst vor dem schnellen Altern

Was Karin zusätzlich verunsicherte: das Bild, das sie von den Wechseljahren im Kopf hatte. «Ich hatte Panik, dass ich in ein paar Monaten so aussehe wie die Frauen in Wechseljahr-Werbespots.» Dass sie sich plötzlich nicht mehr jung, sportlich und gesund fühlte, traf sie besonders hart. Sie hatte immer deutlich jünger ausgesehen als ihr Alter. Nun fühlte sie sich um Jahre gealtert.

Susanna Weidlinger beruhigt: «Von aussen sieht man die Menopause nicht. Es geht um Hormone – nicht ums Alter.» Viele der körperlichen Veränderungen lassen sich durch eine gezielte Hormonersatztherapie auffangen. «Wichtig ist, dass sich die Frau in ihrem Körper wieder zu Hause fühlt.»

Hormontherapie: dem Körper geben, was er braucht

Der Gedanke an eine Hormontherapie stresste Karin zunächst: Kaum hatte sie die Pille abgesetzt, sollte sie schon wieder Hormone nehmen. Doch bald erkannte sie den deutlichen Unterschied: «Bei dieser Therapie gebe ich dem Körper ja einfach das, was er eigentlich selbst produzieren sollte, und manipuliere nicht meinen Zyklus wie mit der Pille.»

Therapie von Karin

Heute erhält sie eine individuell abgestimmte Hormonbehandlung mit drei Komponenten:

  1. Östrogen, das sie abwechselnd als Gel oder Pflaster anwendet,
  2. Progesteron sowie
  3. Testosteron.

Letzteres kam erst später dazu, als sie sich psychisch zunehmend belastet fühlte. Auch wenn die Studienlage zu Testosteron noch schwach ist, war es für Karin ein Gamechanger: «Ich hatte plötzlich wieder mehr Antrieb, war emotional stabiler.»

Ein anderes Leben – und neue Stärke

Karin musste den Wunsch nach eigenen Kindern loslassen. «Irgendwann war ich froh, dass der Entscheid für mich gefallen war. Aber es war ein langer Prozess», sagt sie. Die Auseinandersetzung mit der Diagnose forderte sie emotional und stellte vieles infrage. Doch je mehr sie das kinderfreie Leben annahm, desto mehr entdeckte sie darin auch Freiräume: spontane Reisen, berufliches Engagement, enge Freundschaften. Heute sagt sie: «Ich führe ein anderes Leben – und ich mag es sehr.» Ihre Erfahrung zeigt: Eine frühzeitige Menopause mag das Leben verändern, aber sie nimmt nicht alles – und eröffnet auch neue Chancen. 

Darüber reden hilft

Mit medizinischer Unterstützung, einem offenen Umfeld und etwas Zeit können Frauen ihren eigenen neuen Weg finden. Eine frühe Diagnose hilft, gesundheitliche Risiken zu vermeiden. Und darüber reden hilft sowieso: «Das sollten wir viel mehr tun. Damit sich keine Frau mehr allein fühlt», sagt Karin.

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