Was kann Musiktherapie bewirken?
Ausdrücken, was man nicht in Worte fassen kann: Musiktherapie hilft dabei. Das wirkt befreiend und heilend.
«Es Buurebüebli mani ned» – das beliebte Volkslied hat die ältere Frau schon als Kind gerne gesungen. Noch heute kann sie es, Strophe für Strophe. Das lässt einen staunen, denn seit einem Schlaganfall hat die Frau Mühe, richtig zu sprechen. Oft dauert es Minuten, bis sie einen Satz formuliert hat. Beim Singen hingegen kommen die Wörter meistens mühelos über die Lippen. Mehr noch: Das Lied löst offenbar Blockaden. Unmittelbar danach spricht die Patientin flüssiger. «Anders als beim Sprechen werden beim Singen von vertrauten Liedern die Worte an die Melodie gebunden, was hauptsächlich über die rechte Hirnhälfte läuft», sagt Musiktherapeutin SFMT Christa Stirnimann. Die geschädigte linke Hirnhälfte wird dadurch aktiviert.
Verschiedene Anwendungsgebiete
Singen, um nach einem Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma besser rehabilitiert zu werden: Das ist nur ein Anwendungsgebiet und eine Methode der Musiktherapie. Sie wird immer häufiger auch bei Demenzkranken eingesetzt. Das gemeinsame Singen fördert das soziale Miteinander und tut Seele und Körper gut. Die Gründe für eine Musiktherapie in Einzelsitzungen können ganz unterschiedlich sein: Da ist der Teenager, der sich nicht auf den Schulstoff konzentrieren kann. Der vierzigjährige Mann, der seine Krebs-Diagnose nicht wahrhaben will. Die sechzigjährige Frau, die sich wegen ihrer chronischen Schmerzen kaum noch zu helfen weiss. Und oft geht es darum, sich mit Ängsten, Schmerz und Wut auseinanderzusetzen.
Gefühle ausdrücken
Mit Klängen ausdrücken, was einen im tiefsten Inneren bewegt, sich aber nicht in Worte packen lässt: Schon alte Kulturen machten sich die Heilkraft der Musik zunutze.
Seit Anfang der 1970er-Jahre gilt die Musiktherapie im deutschsprachigen Raum als Ausbildungsberuf und wird in der Heilpädagogik, Psychotherapie oder verschiedenen medizinischen Bereichen angewendet. Therapeuten haben dafür einen ganzen Fundus an einfach zu spielenden Instrumenten. Klienten wählen das aus, was sie in diesem Moment anspricht: eine Sansula, ein kleines «Klavier», dessen Metallplättchen mit dem Daumen angeschlagen werden. Eine mit Stahlkügelchen gefüllte Ocean-Drum. Das mit Saiten bespannte Monochord aus dunklem Holz. Oder Selbstgebautes, mit dem sich Gewitterdonner, Vogelgezwitscher oder ein Windgeräusch erzeugen lassen.
Selbst zum Instrument greifen heisst in der Musiktherapie nicht richtig spielen und sich beweisen müssen. Statt-dessen wird improvisiert. Manchen fällt es leichter, wenn der Therapeut oder die Therapeutin dazu anleitet oder mitspielt. Klienten sollen dabei ihre eigenen Klänge, Melodien und Rhythmen finden. Lernen, das Gefühlte und Erlebte hörbar zu machen. Und das ist oft ein erster Schritt, Belastendes zu orten, zu verarbeiten und wieder ins Lot zu kommen.
Bezahlt die Krankenversicherung die Musiktherapie?
So heilsam Musik auch sein mag: Wenn es um therapeutische Zwecke geht, übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung keinerlei Kosten für Musiktherapie und ähnliche Therapien. Dies hält die entsprechende Leistungsverordnung fest. Hingegen ist die Musiktherapie eine von der CSS anerkannten Methoden in der Alternativversicherung. Wer also über eine solche verfügt und sich bei einer von der CSS anerkannten Therapeutin bzw. einem anerkannten Therapeuten behandeln lässt, erhält 75 Prozent der Kosten zurückerstattet. Der Maximalbetrag liegt – je nach gewählter Versicherungsdeckung – zwischen 200 und 2'000 Franken pro Kalenderjahr.
Auf den Körper wirken lassen
Musik machen oder hören – beides ist möglich. Therapeuten sprechen von aktiver oder rezeptiver Therapie. Es kann hilfreich sein, bestimmten Klängen zu lauschen. Christa Stirnimann spielt dann beispielsweise auf der Gitarre ein Stück, das dem Wunsch und der Stimmung des Klienten entspricht und über dessen Wirkung anschliessend gesprochen wird. Manchmal löst auch ein Schlager vom Band starke Gefühle aus. Oder hilft der «Klangstuhl», sich tief zu entspannen, den eigenen Körper besser wahrzunehmen. Während man sich hineinsetzt, streicht der Therapeut über die Saiten auf der Rückwand des Stuhls. Es klingt wie aus einem fernen Land und die Vibrationen sind bis in die Fingerspitzen spürbar.